Samstag, 23. März 2024

»Das Schloss« Interpretation



Franz Kafkas Werke sind nicht eindeutig zu interpretieren, aber man kann sich ihnen auf unterschiedliche Weise nähern. Man kann all diese möglichen Interpretationen und Auslegungen für "richtig" halten – solange man sich nur bewußt bleibt, daß man diesen Roman mit keiner von ihr ganz besitzt und daß jede mindestens ebenso viel über ihren Urheber aussagt wie über das Buch.

Der Roman eröffnet eine enorme Bandbreite an möglichen Deutungen und lässt den Leser nachdenklich zurück. Er hat etwas Offenes, Unabgeschlossenes und nicht Greifbares. Nichts ist sicher und gesichert, für die Hauptperson K schon gar nicht. Zunächst versteht man überhaupt nicht, warum K sich so in seinen Wahn hineinsteigert ins Schloss zu kommen, oder warum sich die Dorfbewohner so schikanieren lassen von den Schlossbeamten. Erst nach und nach wird klar, dass es um Lebenserfahrungen gehen könnte, die wir auch heute machen. Das Schloss ist so gesehen eine Metapher.

Es zeichnet die Spur einer elementaren menschlichen Bewegung, der Bewegung auf ein Ziel, das sich während dieser Bewegung als immer unerreichbarer enthüllt, so wie jeder Fetzen der Wirklichkeit selbst sich unter dem forschenden Blick abenteuerlich kompliziert und immer uneinnehmbarer wird. Die Tücke des Objekts Kafkas trauriger Held trifft auf einen Gegenstand, der sich für das Interesse des Neugierigen rächt, indem er wächst und dem Herausforderer seine Kleinheit beweist.

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Man kann biografisch ansetzten: sicherlich hat sein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater seine Literatur beeinflusst. Allerdings, wenn man seinen Biografen Glauben schenken darf, scheint er auch selbst ein schwieriger Mensch gewesen zu sein und nicht unbedingt für das praktische Leben tauglich. So finden sich sicher auch Züge Kafkas in der Person K. wieder.

Aber auch soziale (siehe die Lebensumstände der Personen), psychoanalytische (Rolle der Frauen) oder religiöse (hat nicht jeder auf irgendeine Weise Schuld auf sich geladen?) Ansätze sind denkbar. Es bleibt letztlich jedem einzelnen Leser überlassen, zu welcher Interpretation er bei einer Annäherung an die Person von Franz Kafka tendiert.

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Das geheimnisvolle Werk, das in seinen Beschreibungen wage ist, gibt damit vielen unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten des Textes freien Raum und stachelt damit die Phantasie des Lesers an.

»Das Schloß« ist ein unvollendet gebliebener Roman. Dieser Umstand der Unfertigkeit läßt viele Fragen offen und ergibt Spielraum in der Interpretation. Kafka ist somit offen in der Interpretation. Somit kann leder in diese Geschichte das hineinlesen, was ihn anspricht und bewegt und so das Buch durchaus auch als dystopische Vorhersage aktueller politischer Entwicklungen sehen. Die Versuche der Interpretation dieses Werkes sind vielfältig - sie reichen von einer Art Autobiographie (K. = Kafka) bis hin zu einer prophetischen Vision einer Dystopie.

Aber wir sind nicht gut zu Hause in der gedeuteten Welt, wußte bereits Rilke.


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Der Roman ist in der Person, der komplexen Persönlichkeitsstruktur und Psyche Kafkas angelegt. Und er ist sozusagen eine Projektion seiner eigenen Person, gründend auf seiner Herkunft, seinen Beziehungen  und recht verschiedenartigen  Erfahrungen in seinem Leben.

Da sind zunächst seine Familie. Vor allem der dominierende und gestrenge Vater, war ein entscheidender Bezugspunkt im Leben von Franz Kafka. Der Einfluß des Vaters ist ebenso bestimmend wie der vom Vater erzeugte Schuldkomplex und der Ausdruck von Schuldgefühl, als Sohn nicht den Anforderungen des Vaters zu entsprechen.

Hinzu kommt noch die Erfahrung in seinem Beruf. Als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft war Kafka mit der Verwaltung von Kunden und bürokratischen Vorgängen vertraut, er hatte also Erfahrung im Umgang mit der Bürokratie.

Kafka war ein stets von Zweifeln geplagter Mensch, denn er haderte mit sich selbst und die Zweifel sind in der Außergewöhnlichkeit seiner Literatur begründet.

All diese Umstände und Einflüsse auf sein Leben sind in sein spätes Werk eingeflossen und wurden dort innerlich verarbeitet und stark verfremdet dargestellt, ohne daß sich autobiografische Bezüge herstellen lassen.

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Der vielschichtige Roman ist eine düstere Parabel auf die undurchdringliche bürokratische Welt und das Wirken anonymer Mächte, welche das Leben der Menschen bestimmen und beherrschen und das ungute Gefühl der Beherrschtheit wecken.

»Das Schloss« und seine Umgebung sind eine verlorene Welt. Hier gibt es nichts zu finden, aber viel zu rätseln. In dieser Umgebung führt kein Weg in das Schloss und damit zum Ziel. Ist ein Ort der Vergeblichkeit.

»Das Schloss« ist eine zeitlose Parabel auf  Sinnlosigkeit menschlichen Strebens und die Unmöglichkeit an ein Ziel zu gelangen. Das sinnlose Streben des Landvermessers ist ein Beispiel für ein zielfreies Leben.

Das Schloss, das zu erreichen zunächst K.s Ziel ist, rückt immer weiter in den Hintergrund. So sieht K. es zu Beginn noch über dem Dorf aufragen, nur um dann festzustellen, dass man ihm scheinbar nicht näherkommen kann, oder es von der ungewöhnlich schnell eintretenden Dunkelheit verschluckt wird. Nur die wenigsten Dorfbewohner haben direkten Kontakt zum Schloss oder gehen dort gar regelmäßig ein und aus. Keine Straße scheint wirklich dorthin zu führen und kein Wagen möchte K. dorthin bringen. Und dennoch kontrolliert das Schloss oder eher sein unendlich groß wirkender Beamtenapparat das Dorf und K. erlebt die Ohnmacht gegenüber einer undurchsichtigen Bürokratie. Eine hier durchaus übertrieben dargestellte und dennoch wahrscheinlich vielen Lesern vertraute Erfahrung.

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Für Kafka waren Anonymität und Undurchschaubarkeit menschliche Grunderfahrungen des modernen Zeitalters. So spielt »Das Schloss« in einer undurchschaubaren Welt, die namenlosen Mächten gehorcht und in der es für den unglücklichen Landvermesser K. einfach kein An-das-Ziel-Kommen geben wird.

Der Roman ist eine schillernde Parabel für das Ausgeliefertsein an anonyme Mächte, die im dem Roman als unzugängliche Beamten auftreten. Ein der Anonymität ausgelieferter und von hörigen Einwohnern, welche sich der Macht beugen und fügen, umgebener Mensch, welcher den Beamten hilflos ausgeliefert ist, ist das zentrale Element des Romans.

In Form einer Parabel auf die Existenzsituation des Menschen der Moderne schildert Kafka, wie eine anonyme Macht – das Schloss – die Sehnsucht des Menschen nach Wahrheit und Sinn manipuliert, den Suchenden bannt, unterdrückt und vernichtet.

Das Werk lebt geradezu von der Undurchschaubarkeit der Vorgänge. Kafka nimmt in dem Roman schon die grundlegenden Probleme vorweg, welchen der Mensch der Moderne ausgesetzt sein wird: Ausgeliefertsein an anonyme Mächte und eine übermächtige Bürokratie.


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Ein Umstand, der sich sehr gut interpretieren lässt, ist der Zusammenhang zu seinem anderen Werk »Der Prozess«. Die Interpretationen der beiden zwillingshaften Werke sind Legion. Manche vermuten, die Werke könnten autobiografischen Hintergrund haben, sie weisen auch theologische Bezüge auf.

In höherem Maß als »Der Prozess« verweigert sich »Das Schloss« eindeutigen Interpretationsversuchen. Bietet der Roman »Der Prozess« mit Begriffen wie »Gesetz«, »Gericht« oder »Schuld« noch konkreten Assoziationsfreiraum, liefert »Das Schloss« solche Anhaltspunkte kaum mehr. Dies bedingt vor allem die den Aufbau bestimmende Kreisstruktur, die als zentrale Grundfigur des Romans alle geschilderten Ereignisse, Dialoge und Erzählebenen dominiert: K.s Versuche, ins Schloss zu gelangen, führen ihn stets kreisförmig an den Ausgangspunkt zurück; aussichtsreiche Gespräche enden, ohne dass K. Aufklärung erhalten hätte.

K. hat keine Möglichkeit der aktiven Auseinandersetzung mit der ihm gegenüberstehenden Ordnung. Diese entzieht sich jeder Überprüfbarkeit und Erfahrbarkeit. Alle Widersprüche und Absurditäten dieser Ordnung sind unangreifbar. Darin liegt K.s Unfreiheit und die aller anderen Romanfiguren. Der Roman ist die große Parabel der Moderne und Postmoderne, ein visionäres Meisterwerk, aktueller denn je, Meta-Literatur, eine Lektüre-Herausforderung, die jeden Leser (über-)fordert.

Der »Schloss«-Roman knüpft dabei an die Grundsituation des »Prozess«-Manuskripts von 1914 an. Auch hier geht es um einen Einzelnen, der mit Strategien der Verdrängung, der Unwahrhaftigkeit und des Selbstbetrugs gegen eine schwer durchschaubare Ordnung kämpft. Und wieder ist die scheinbar fremde Gegenwelt in Wirklichkeit Teil des Protagonisten: ein seelischer Apparat eher als ein soziales Machtsystem.

Wie das Unbewusste des Menschen funktionieren die Maschinerien der Schloss-Bürokratie, deren Beamte von ihrem sexuellen Verlangen getrieben, von Dauermüdigkeit übermannt, von Ängsten überrollt werden.

Wie das Unbewusste arbeitet die Verwaltung des scheinbar nahen Schlosses, denn sie vergisst nichts, speichert alles und lässt es in überraschenden Momenten wieder aus sich hervortreten. Kafkas soziale Schreckenssysteme sind deshalb so fürchterlich, weil sie Versionen unseres Ich, Vexierspiele der Psyche und Manifestationen des Unbewussten bilden.

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Das Schloss ist der Sitz einer Behörde, welche das Grauen der modernen Existenz orchestriert. ۚDer Roman steht für die Vergeblichkeit menschlichen Tuns und Ausweglosigkeit der Moderne. K.s sinnloses Streben ist eine Geschichte, die unweigerlich auch an die Situation vieler Flüchtlinge heutzutage erinnert: der Kampf mit der Bürokratie, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, der Wunsch, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Nichts ist erreichbar, das Ziel unendlich fern. Und so wird »Das Schloss« zum Symbol für die Unerreichbarkeit menschlichen Strebens. Das Schloss lag still wie immer. Niemals gab es das geringste Zeichen von Leben. Und es war nicht möglich, aus der Ferne etwas zu erkennen.

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In Kafkas Roman ist die durch die Beamten ausgeübte Macht bloßer Selbstzweck, sie legitimiert sich durch die Handlungen der Beamten selbst. Am augenfälligsten ist Kafkas Kritik der Bürokratie anhand der Bewohner des Schlosses. Der ganze Lebensinhalt der Schlossbewohner scheint die Aufrechterhaltung der Bürokratie zu sein.

Der Gegenstand der bürokratischen Tätigkeiten bleibt größtenteils im Dunkeln. Es scheint auch völlig irrelevant zu sein, denn der Ablauf, das Akten studieren, das Schreiben und die Kontrollbehörden scheinen wichtiger als jegliche Inhalte. Die Bürokratie selber scheint also das wichtige zu sein, nicht der ursprüngliche Grund für den bürokratischen Aufwand. Der behördliche Apparat wirkt so, als ob das Verwaltungswesen sich selber legitimisiert, jedoch sonst nach außen nichts löst.

Der Kampf gegen die Bürokratie erscheint als vergebliche Mühe. Es sind Wonnen der Vergeblichkeit, die der Landvermesser empfängt. Ein Beispiel für die satirische und überzogene Darstellung des behördlichen Schaffens ist die Szene, in der K. früh morgens im Herrenhof die Verteilung der Akten an die Sekretäre beobachtet und stört. Geradezu ironisch wirkt K.s Wahrnehmung des Verwaltungswesens. Die Arbeit der Beamten wirkt sinnlos und unnötig. Sie erledigen ja nichts, außer die amtliche Tätigkeit selber.

Die Schloss-Bürokratie ist derart übersteuert, dass sie selbst Routinefälle zu erledigen nicht mehr in der Lage ist. Jede Kleinigkeit führt zu einem riesigen bürokratischen Aufwand, der jahrelange Besprechungen und Kontrollen erfordert. Die Inhalte der Akten scheinen nicht zu interessieren, die Tätigkeit der Schlossbeamten beschränkt sich scheinbar nur auf die Form.

Geradezu ironisch wirkt K.s Wahrnehmung des Verwaltungswesens. Die Arbeit der Beamten wirkt sinnlos und unnötig. Sie erledigen ja nichts, außer die amtliche Tätigkeit selber.

Kafka war Beamter einer Versicherungsgesellschaft, der mit vielen behördlichen Vorgängen und der Verwaltung von Akten bestens vertraut war. Die behördlichen Schloss-Instanzen können als Funktionen Kafkas angesehen werden.     

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In Kafkas Romanen spielt die Verwaltung von Akten und das Sammeln von Daten eine zentrale Rolle, am auffälligsten in dem Werk »Das Schloss«, wo unentwegt von Akten die Rede ist. Auch das hat mit irgendwelchen hellseherischen Fähigkeiten Kafkas wenig zu tun, viel jedoch mit seinen beruflichen Erfahrungen: Er war Angestellter einer staatlichen Unfallversicherung, und er begriff sehr schnell, dass der statistische Zugriff, der für diese Branche typisch ist, etwas grundlegend Neues und Beängstigendes war. Auch in Kafkas Büro wurden Lebensläufe zu Akten, und individuelle Katastrophen wurden zu versicherungsmathematischem Material.

Kafka spürte, dass diese moderne Art von Verwaltung das Denken der Betroffenen verändert. Wer mit einer solchen Behörde zu tun hat, kann gar nicht anders, als sich ihren Routinen gedanklich anzupassen und alle darüber hinausgehenden Ideen – etwa die Frage, ob man „gerecht“ behandelt wird – für den Augenblick zu vergessen.

Die Arbeit der Beamten wird geradezu fragwürdig in den Schilderungen des Vorstehers.
„Die Menge der Akten ist so groß, daß sie gar nicht gleichzeitig bearbeitet werden kann. Wenn die Aktenberge ‚immerfort’ einstürzen, so kann man keinen einzelnen Akt mehr anders als durch Zufall finden und bearbeiten.“

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Rätselhaft und geheimnisvoll ist der Roman. Das ameisenhafte Gewusel und leere Getriebe der Schlossbehörde und das seltsam knechtische Verhältnis der Dorfbewohner zum Schloss bleibt unergründlich.

In dem Roman geht es auch um Ausübung von Macht gegenüber der Bevölkerung. Die Akte der Behörde sind Willkürakte, gegen  die man sich erwehren kann, aber leider ohne Erfolg. Kafka schildert eine trostlose und skurrile Welt, die von einer undurchschaubaren Macht gesteuert wird.

Das Schloss steht für die Macht der Beamten und die Machtlosigkeit der Dorfbewohner als ihrer Opfer. Die Dorfbewohner sind die der Macht ausgesetzten Opfer. Kafka schildert nicht nur, wie Menschen zu Opfern werden – was literarisch noch nicht besonders verdienstvoll wäre –, vor allem zeigt er, wie sehr die Macht darauf angewiesen ist, dass ihre Opfer „mitmachen“. Die Beamten führen dabei keine eigenen Akte aus, sondern verwalten sich quasi selbst.

Es ist schon seltsam, wie die scheinbar Untergebenen immer mehr Macht an den Tag legen, wie sie jeden Fortschritt des Protagonisten in Richtung Schloss zu verhindern wissen. Sein Zugang zum Schoß wird durch labyrinthisch erscheinende Dienstwege erschwert.

In K.s Bewußtsein besteht eine übermäßige Rangdifferenz zwischen ihm und der Behörde. Er spricht davon, daß der Machtunterscheid zwischen der Behörde und ihm so ungeheuerlich war, d aß alle Lüge und List, deren er fähig gewesen wäre, den Unterschied nicht wesentlich zu seinen Gunsten hätte herabdrücken  können.“

Aber auch die Beziehungen der Dorfbewohner untereinander hat etwas Befremdliches. denn. irgendwie scheint das ganze Dorfleben wie von ferner Hand gesteuert vom Schloss nebenan.

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Die bekannteste und sinnfälligste Interpretation des Romans aber ist wohl jene von Max Brod, der das Schloss und K.s Streben, dort Einlass zu erlangen, als Symbol für Gott ansieht, das Schloss als Ort der Gnade empfindet  und quasi eine in sieben Tagen stattfindende, biblisch angehauchte Schöpfungsgeschichte daraus macht. So tragen einige Figuren biblische Namen, so etwa Barnabas, der als Vermittler zwischen K. und dem Schloss auftritt.

Von dieser Sichtweise ausgehend, erscheint das von Brod überlieferte Ende des Romans besonders bedeutungsvoll: K. Anstrengungen, in das  Schloss zu gelangen, enden in seinem Tod, am Sterbebett trifft jedoch ein Brief von diesem Schloss ein, daß ihm letztendlich doch gestattet wird, im Dorf zu leben. Mit dieser kafkaesken Wendung erhält K wenigstens teilweise Genugtuung.

Ob das Schloss nun der Ort der Gnade ist, wie Kafkas Freund Max Brod vermutete, oder der Sitz einer Behörde, die das Grauen der modernen Existenz orchestriert, oder ein Nichts, zu dem kein Weg führt – bleibt aber letztlich doch ungewiss.

Samstag, 25. März 2023

»Das Schloss« Entstehung

An dieser Stelle soll nun etwas über die Entstehung dieses Romanfragments gesagt werden. Beginnen wir mit den nahen Eindrücken Kafkas in seiner Heimatstadt. Da ist zunächst einmal der Ausblick des Autors aus dem Fenster seines Geburtshauses.


Von Kafkas Geburtshaus sieht man die nahe Teynkirche, als wäre sie fern, und den fernen Hradschin, als wäre er nah. Hoch ruht das Prager Schloss auf dem Felsen oberhalb der Moldau, aber die unteren Fenster des Palastes liegen knapp über den ansteigenden Dächern der Kleinseite. Ist diese alte Burg Kafkas Schloss oder dessen Inspiration oder gibt es anderen Quellen?


An seinem letzten Roman »Das Schloss« arbeitete Kafka von Ende Januar bis Ende August 1922. Begonnen wurde die Niederschrift in Spindelmühle im Riesengebirge, abgebrochen wurde sie im westböhmischen Planá nahe der deutschen Grenze, in einer Sommerwohnung, die seine Schwester Ottla angemietet hatte. In diesen Zeitraum fällt Kafkas endgültige Pensionierung in der Arbeiter-Unfallversicherung.


1922 war Kafka ein Schriftsteller, der nicht mehr schreiben konnte. Seine literarische Tätigkeit, immer in Schüben hervorbrechend, lag seit einiger Zeit brach. Schon ein Jahr zuvor hatte er im slowakischen Matliary während einer Kur monatelang ganz auf schriftstellerische Arbeit verzichtet. Aber die Abgeschiedenheit des Ortes, die klare Schneeluft, die in der Ferne dämmernden Schemen von Häusern, Brücken und Wald setzen in Spindlermühle seine literarische Einbildungskraft neu in Gang. Wenige Tage nach der Ankunft entwickelt Kafka die Skizze einer Begrüßungsszene in einem Wirtshaus, die dann in die Beschreibung der Ankunft des Helden im nächtlichen Dorf übergeht. Innerhalb von drei Wochen entstehen vermutlich die ersten 37 Manuskriptseiten des "Schloss"-Romans.


Nach dem fulminanten Beginn in Spindlermühle gelingt es Kafka noch bis zum Juli 1922, seine Produktivität auf höchstem Niveau zu halten. Sein Problem lag darin, dass er eigentlich nur an einem Stück schreiben konnte, wie es ihm erstmals in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 glückte, als die Novelle »Das Urteil« entstand. Für ausgedehnte Romankonstruktionen bildete die Abhängigkeit von tranceartiger, auf das Äußerste gesteigerter Konzentration eine denkbar ungünstige Hypothek.


Im Fall des "Schloss"-Projekts begannen die Stockungen im Sommer 1922. Mitte September 1922 erklärt Kafka frustriert, er habe "die Schloss-Geschichte offenbar für immer liegen lassen müssen". Bis zu seinem Tod am 3. Juni 1924 wird er das Manuskript nicht mehr anrühren und nur seinem Freund Max Brod die Lektüre gestatten.


Der Abbruch des Romans geht wohl vor allem auf die psychische Instabilität Kafkas zurück, der im Herbst 1922 mehrfach Angstattacken erlitt. Das Manuskript, das gegen Ende ungewöhnlich lange Streichungen enthält, offenbart jedoch auch formale Probleme: Anscheinend hatte Kafka Schwierigkeiten, die zunehmende Zahl von Figuren und Erzählsträngen noch miteinander in Einklang zu bringen.


1926 veröffentlichte Brod eine erste Lesefassung des Schloss-Romans mit zahllosen Eingriffen und Glättungen. Sie sollten den Eindruck erwecken, als handelte es sich um ein annähernd fertiges Werk, dem lediglich der Schluss fehlte.


Als Malcolm Pasley 1982 für die Kritische Edition des Fischer-Verlags eine neue Ausgabe herstellte, ließ er sich von Kafkas Stichworten für die Textgliederung leiten, die er der Kapitelfolge als Überschriften zugrunde legte. Zwar blieb dieses Verfahren fragwürdig, aber immerhin trat durch Pasleys diplomatische Edition der Fragmentcharakter des Textes deutlicher hervor als bei Brod. Nicht, dass er nicht endet, kennzeichnet den Roman, sondern daß er gar nicht enden kann.



Anhang


In den Jahren 1911 und 1912 hatte Kafka während der Arbeit an der Novelle »Die Verschollenen« bereits erfahren, wie schnell er sich bei größeren epischen Projekten im Niemandsland seiner Assoziationen verlaufen konnte. Daraus zog er im Fall des »Prozess« wenige Jahre später eine klare Konsequenz, indem er sofort nach dem ersten das letzte Kapitel schrieb. Als der Roman 1915 abgebrochen wurde, war er ein paradoxes Fragment: ein Text, der Beginn und Schluss hatte, dem aber die letzten Brückenverbindungen im Inneren seiner Architektur fehlten.


InBei dem Roman »Das Schloss« schien Kafka nun die Situation des »Verschollenen« zu wiederholen. Abermals spann er sich in seine Geschichte ein, ohne dass er ihr Ende erreichte; nochmals arbeitete er sich wie in einem Stollen vorwärts, gelangte aber nicht zum letzten Durchbruch.


Stärker als die beiden ersten Fragmente ist »Das Schloss« auch seiner Idee nach ein Bruchstück. Der Roman bleibt von vornherein darauf angelegt, seinen Protagonisten ins Innere einer sozialen Ordnung zu führen, in der er sich wie in einem Labyrinth verirrt.



Roland Reuß' neue Edition im Rahmen der Frankfurter Kafka-Ausgabe zeigt diese Struktur auf mustergültige Weise. Der Text ist wie schon bei den vorausgehenden Ausgaben ganz aus der Handschrift ediert, das heißt, dass er das Manuskript mit seinen Streichungen und Korrekturen dokumentiert. Die sechs Schreibhefte, die das Romanfragment bilden, werden in ihrer materiellen Struktur so genau wie möglich wiedergegeben. Dazu gehört, dass neben der kritischen Erfassung des Textes, seiner Streichungen und Varianten auch die Manuskriptseiten im Faksimile erscheinen.


Auf diese Weise rückt, wie schon mehrfach an früheren Bänden der Ausgabe gerühmt, der Schreibprozess selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die unterschiedlichen Textschichten mit ihren Streichungen, Überschreibungen oder Korrekturen werden ohne Eingriffe des Herausgebers dargeboten. Durch ein schlüssiges Dokumentationssystem lässt sich die jeweilige Stufe der von Kafka vorgenommenen Textänderung über die graphische Wiedergabe gut erfassen. Da gleichzeitig die Möglichkeit besteht, einen Blick auf die faksimilierte Manuskriptseite zu werfen, kann man den Schriftduktus direkt zum Vergleich mit der gedruckten Dokumentation heranziehen. Komplizierter wird es nur dort, wo längere Passagen gestrichen und neu erarbeitet werden, wie das gerade im letzten Viertel des Romans häufiger der Fall ist. Ohne aufwendiges Zurückblättern sind hier übergreifende Eindrücke und Befunde nicht zu erlangen.


Bei dem Schloss-Projekt begannen die Stockungen im Sommer 1922. Mitte September 1922 erklärte Kafka frustriert, er habe "die Schloßgeschichte offenbar für immer liegen lassen müssen". Bis zu seinem Tod am 3. Juni 1924 wird er das Manuskript nicht mehr anrühren und nur seinem Freund Max Brod die Lektüre gestatten.


Der Abbruch des Romans geht wohl vor allem auf die psychische Instabilität Kafkas zurück, der im Herbst 1922 mehrfach Angstattacken erlitt. Das Manuskript, das gegen Ende ungewöhnlich lange Streichungen enthält, offenbart jedoch auch formale Probleme: Anscheinend hatte Kafka Schwierigkeiten, die zunehmende Zahl von Figuren und Erzählsträngen noch miteinander in Einklang zu bringen.


Kafkas Bewunderer und engster Freund in Prag, der Schriftsteller Max Brod (1884 bis 1968), war die treibende Kraft für die wenigen Buchveröffentlichungen zu Lebzeiten. Nach Kafkas Tod zögerte er nicht, unverzüglich mit der Herausgabe seiner Schriften zu beginnen; den Anfang machte 1925 der »Prozess«-Roman, mit dem der Weltruhm begründet wurde.


Zu Lebzeiten Kafkas erfuhr die Öffentlichkeit nichts vom Schloss-Roman. Max Brod gab das Werk jedoch schon 1926 aus dem Nachlass heraus (Kurt Wolff Verlag, München), wobei er zwei Episoden wegließ, die er für unfertig hielt. Die langen, gestrichenen Passagen, die für das Verständnis des Romans nicht unerheblich sind, erschienen dann erst in späteren Ausgaben (Schocken Verlag, Berlin 1935 und New York 1946; S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1951). Das Manuskript, das aus sechs Heften besteht, befindet sich heute in der Bodleian Library in Oxford.


Der Verlag erkannte bald, dass die Übersetzungen schlecht waren und wünschte sich 1940 einen "völlig anderen Ansatz". 1961 erhielt Malcolm Pasley Zugang zu allen Werken von Kafka mit Ausnahme von »Der Prozess« und legte sie in der Bodleian Library in Oxford ab. Pasley und ein Team von Wissenschaftlern (Gerhard Neumann, Jost Schillemeit und Jürgen Born) veröffentlichten die Werke 1982 im S. Fischer Verlag.


»Das Schloß« erschien in diesem Jahr als zweibändiges Set - der Roman im ersten Band und die Fragmente, Streichungen und Aufzeichnungen des Herausgebers im zweiten Band. Dieses Team stellte den vollständigen und unvollständigen deutschen Originaltext wieder her, einschließlich Kafkas einzigartiger Zeichensetzung, die als entscheidend für den Stil angesehen wird


Als Malcolm Pasley 1982 für die Kritische Edition des Fischer-Verlags eine neue Ausgabe herstellte, ließ er sich von Kafkas Stichworten für die Textgliederung leiten, die er der Kapitelfolge als Überschriften zugrunde legte. Zwar blieb dieses Verfahren fragwürdig, aber immerhin trat durch Pasleys diplomatische Edition der Fragmentcharakter des Textes deutlicher hervor als bei Brod.

Samstag, 24. September 2022

Auf Spurensuche nach Kafkas Schloss


Es ist ein großes Rätsel der Literaturgeschichte: Wo liegt nur, Kafkas Schloss? Nun gilt es, dem Geheimnis des Schlosses auf die Spur zu kommen, welches doch gar kein Schloss im eigentlichen  Sinne ist. Es geht dabei um die räumliche Verortung des geheimnisvollen Ortes, welcher gar kein richtiges Schloss im eigentlichen Sinne ist.

Das Schloss ist bei Kafka vor allem eine Frage der Vorstellung. Soll man sich das Schloss des Grafen Westwest, der den Landvermesser angeblich hat kommen lassen, vorstellen wie das düstere Schloss des Grafen Orlok in Murnaus »Symphonie des Grauens«? Oder gleicht es dem Prager Hradschin oder einem anderen Schloss im Böhmischen?

Kafka liefert in dem Text eine recht brauchbare Beschreibung des Schlosses, an der man sich bei der Spurensuche orientieren kann. „Es war weder eine alte Ritterburg, noch ein neuer Prunkbau, sondern eine ausgedehnte Anlage, die aus wenigen zweistöckigen, aber aus vielen eng aneinanderstehenden niedrigeren Bauten bestand; hätte man nicht gewußt, , daß es ein Schloß ist, hätte man es für ein Städtchen halten können.“

Wer hätte das vermutet? - Das Schloss erweist sich als eine recht seltsame Ansammlung von niedrigen Häusern und nicht etwa als zu erwartender Prunkbau. Es ist ein recht elendes Schloss, und das darunter liegende Dörfchen, das aus Dorfhäusern zusammengetragen ist. Zudem bietet das Schloss weder dem Tor zum oberen Dorf noch dem Tor zum unteren Dorf eine Schauseite. Die eigentliche Prunkseite ist dem Garten zugewandt, der von hohen Mauern umschlossen ist, nicht einsehbar.

Die Beschreibung des Schlosses ist jedoch merkwürdig, denn das Schloss entspricht K.s Erwartungen, aber sicherlich nicht denen des Lesers, der sich unter einem Schloss eher einen „Prunkbau“ oder die alte „Ritterburg“ vorstellt, als eine Anlage, die einem kleinen Städtchen ähnlich sieht. Diese Darstellung steht im Kontrast zu dem was man sich gemeinhin unter einem Schloss vorstellt.

K. scheint hier zum ersten und vielleicht zum letzten Mal kurze Erkenntnis zu gewinnen. „Nun sah er das Schloß deutlich umrissen in der klaren Luft.“ So deutlich wird er das Schloss im Laufe des Romans nie wieder erkennen.

Einiges spricht dafür, den Geburtsort von Kafkas Großvater für den Ort des Schlosses zu halten. Aufschlußreich ist hier ein Artikel des profunden Kafka-Kenners Klaus Wagenbach in der ZEIT.

Das Dorf Woßek besteht aus zwei Teilen. Der größere liegt in einer Senke, an einem Teich, der kleinere, einige hundert Meter entfernt, auf einer Anhöhe. Das gesamte Dorf ist klein: Heute wohnen dort etwa hundertfünfzig Menschen. Von Radomischl kommend, betritt man zuerst das Unterdorf, eine Zeile von wenigen Häusern links und rechts der Straße, die auf den Dorfanger mündet. Am Anger liegt – und lag schon immer – ein Gasthaus. Vom Anger ab teilt sich die Straße. An der Ecke steht eine kleine Kapelle, unter der nach halbrechts führenden Straße fließt der Teich ab. Diese Straße führt zu einem auf der Anhöhe liegenden Schloß. Die andere Straße, halblinks, läuft im Bogen durch freies Feld, ebenfalls auf die Anhöhe, in das um das Schloß gruppierte Oberdorf, und dann weiter nach Kbelnitz.

Kafka kannte mit Sicherheit Woßek, wahrscheinlich schon von Besuchen des Großvaters her, gewiß aber sah er es anläßlich des Begräbnisses, damals sechseinhalb Jahre alt, Schüler der Prager Deutschen Volksschule am Fleischmarkt. Als ältester Sohn der Familie war er nach jüdischer Sitte verpflichtet, am Begräbnis des Großvaters teilzunehmen. In den folgenden Jahren war er wohl noch einige Male in Woßek, als Gymnasiast während der Schulferien, die er öfters bei einer Tante in Strakonitz verbrachte. Danach besuchte Kafka Woßek sehr wahrscheinlich niemals wieder – die Gründe liegen auf der Hand: Es war der Ort des Vaters, der geographische Fixpunkt jener Berichte von den Leiden seiner Kindheit, die zu den Haupterziehungsmitteln des Vaters gehörten.

Zitiert aus: Klaus Wagenbach, »Wo liegt Kafkas Schloß?«, »DIE ZEIT«

Anhand dieser recht genauen Schilderung drängt sich der Eindruck auf, daß Klaus Wagenbach bei seiner Recherche auf den Spuren des Großvaters Kafkas Schloss tatsächlich gefunden hat.


Samstag, 11. Juni 2022

Franz Kafka-Haus in der Alchemistengasse

Goldenes Gässchen

Kommt man von der St.-Veits-Kathedrale her, geht man am Seitenschiff der Kathedrale entlang durch den Dritten Burghof, von dort an der St.-Georgs-Kirche vorbei in die Georgsgasse (Jirska ulice). Dort biegt man dann links in die Alchimistengasse ein.

Das Goldene Gässchen (tschechisch Zlatá ulička), auch Alchimistengasse oder Goldmachergasse genannt, ist ein Gässchen an der Innenmauer der Prager Burg und ein Touristenmagnet von Prag. Berühmtheit erlangte es vor allem, weil hier unter der Aufsicht Kaiser Rudolfs II. Alchimisten gewirkt haben sollen, um für ihn künstliches Gold und den Stein der Weisen zu erzeugen.

Das Goldene Gässchen befindet sich zwischen der nördlichen Burgmauer und dem Burggrafenpalast und ist durch zwei Türme begrenzt, den Weißen Turm im Westen und die Daliborka im Osten. Hinter den elf kleinen Häusern der Gasse befindet sich der Wehrgang. Die Häuschen stammen aus dem 16. Jahrhundert und wurden als Unterkünfte für die Burgwachen Kaiser Rudolfs II., die sogenannten roten Schützen, gebaut. Später zogen vor allem Goldschmiede in die Hütten ein, wovon die Gasse wahrscheinlich ihren Namen erhielt.

Im 19. Jahrhundert war das Goldene Gässchen sehr heruntergekommen, denn es siedelten sich vorwiegend ärmere Leute dort an. Zwischen 1916 und 1917 lebte hier der Schriftsteller Franz Kafka und arbeitete im Haus Nr. 22 an seinen Werken Er schrieb hier einige der kurzen Erzählungen, die 1920 in der Sammlung »Ein Landarzt« veröffentlicht wurden.

Kafka, der unter dem Lärm im Haus "Zum goldenen Hecht" litt, suchte im Sommer 1916 wieder einmal eine ruhige Stätte für sein Schreiben. Da traf es sich gut, dass auch seine jüngste Schwester Ottla, die sich von dem vereinnahmenden Elternhaus zu lösen suchte, auf der Suche nach einer Bleibe war. Gemeinsam machte man sich auf den Weg und wurde überraschend in einem kleinen Gässchen fündig, dass heute eine der großen Touristenattraktionen von Prag ist, aber damals vor allem von ärmeren Menschen bewohnt wurde. In einem Brief an Felice Bauer beschreibt er, wie es zu diesem Fund kam:

"Im Sommer ging ich mit Ottla Wohnung suchen, an die Möglichkeit wirklicher Ruhe glaubte ich nicht mehr, immerhin ging ich suchen. Wir sahen einiges auf der Kleinseite an, immerfort dachte ich, wenn doch in einem der alten Palais irgendwo in einem Bodenwinkel ein stilles Loch wäre, um sich dort endlich in Frieden auszustrecken. Nichts, wir fanden nichts eigentliches. Zum Spaß fragten wir in dem kleinen Gässchen nach. Ja, ein Häuschen wäre im November zu vermieten. Ottla, die auch, aber in ihrer Art, Ruhe sucht, verliebte sich in den Gedanken, das Haus zu mieten..."

Die Begehung der Alchimistengasse ist inzwischen zu den Hauptzeiten kostenpflichtig.

Samstag, 19. März 2022

»Das Schloss« Einleitung



»Das Schloss« ist ein im Jahr 1922 begonnener und Fragment gebliebener Roman von Franz Kafka, welcher 1926 posthum erschienen ist. Zu Lebzeiten Kafkas erfuhr die Öffentlichkeit nichts von dem Schloss-Roman, genauso wenig wie von dessen Autor. Kafkas Freund und Verleger Max Brod hat das unvollendete Werk im Jahr 1926 entgegen der Verfügung Kafkas aus dem Nachlass herausgegeben.

Das letzte, von Januar bis September 1922 entstandene Romanfragment greift das bereits vorher in dem Roman »Der Prozess« entworfene Thema der unendlichen, letztlich scheiternden Suche des Individuums nach Erkenntnis auf, dieses mal eingetaucht in die düstere Welt der Bürokratie. Kafkas Schwanengesang ist eine schillernde Parabel für den Kampf gegen und das Ausgeliefertsein an anonyme Mächte.

In seinem unvollendeten Romanfragment »Das Schloss« beschreibt Franz Kafka das Ringen eines auf Anweisung eines Grafen in einen düsteren Landstrich gekommenen Mannes mit einem bürokratischen Apparat, welcher alles kontrolliert und gleichzeitig außer Kontrolle zu geraten scheint. Kafka beschreibt den Konflikt eines Menschen gegen die eine undurchschaubare Bürokratie und die Machenschaften der Beamten.

Ort der Handlung ist ein nicht näher bestimmtes Schloss und das unterhalb liegende Dorf. Ein Landvermesser wird von einem Grafen beauftragt. Seine Versuche, den Auftrag auszuführen, sind jedoch zum Scheitern verurteilt, denn eine unsichtbare Macht scheint ihn davon abzuhalten, in dessen Schloss hinein zu gelangen.

Schauplatz ist ein Dorf, das zu Füßen eines Schlosses ohne nähere geografische Bestimmung liegt und von dort aus beherrscht wird. Im Mittelpunkt der nur sechs Tage umfassenden Handlung steht ein Fremder namens K. Er folgt einer angeblichen Einladung aus dem Schloss und ist von weither angereist, um als Landvermesser zu arbeiten, doch alle Versuche, mit der Schlossbehörde in Kontakt zu kommen, scheitern. Allmählich beginnt K., sich wie die anderen Dorfbewohner der undurchsichtigen Macht des Schlosses zu beugen.

Franz Kafkas Romanfragment, verfasst sieben Jahre nach dem »Prozess«, gilt einer kleinen geheimnisvollen und undurchschaubaren Welt voller Geheimnisse. Der späte Kafka erzählt darin eine in sieben Tagen stattfindende, recht absurde Geschichte eines vergeblichen Zutritts in ein seltsames Schloß, in.das keiner hineinkommt, umgeben von einem Dorf, welches kaum mehr als zwei Gasthäuser und zwei Gassen hat.

Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka (E)

Franz Kafka

Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka

Heute ist Franz Kafka der modernste Dichter der klassischen Zeit - ein moderner Klassiker.

Bei Kakfa begegneten sich ein Geist und eine Zeit und aus diesem Konflikt heraus sind seine Werke entstanden.

Als ewig Reisender auf der Suche nach sich selbst erfindet Kafka sich immer wieder neu. Nur das Schreiben zieht sich durch sein ganzes Leben. Er studiert das menschliche Verhalten und macht vor keinem moralischen Dilemma halt. Doch seine Erzählungen werden nicht immer geschätzt, er bleibt ein Außenseiter im literarischen Betrieb. Es ist die Zeit der ?


Der rätselhafte Schriftsteller Franz Kafka ist bis heute ein ewig rätselhafter Schriftsteller geblieben.

Samstag, 18. September 2021

Franz Kafka und die Verrätselung der Welt



Franz Kafka steht mit seinen Werken für eine geheimnisvolle Verrätselung der Welt, denn vieles in seinem Werk ist merkwürdiges Rätsel geblieben.

Aber wie kein Zweiter ist ein Schriftsteller durch seinen Beruf als Versicherungsangestellter in so direkter Weise mit dem Grundwiderspruch der modernen Gesellschaft, mit sozialer Not und Ausbeutung, mit den Arbeitern wie mit den Unternehmern, konfrontiert worden wie Kafka.

Karlsbrücke in Prag Seine Heimatstadt Prag kommt in seinen Werken literarisch nicht vor, das Prager Leben findet nicht statt, denn alles ist sorgfältig verfremdet.